Samstag, 4. Oktober 2008

Von Santiago de Compostela nach Negreira (Sa 4.10)

Von der Kathedrale aus in westlicher Richtung hat man die Stadt erstaunlich schnell hinter sich gelassen. Von einer Anhöhe aus schöner Blick zurück auf das Portal der Kathedrale.


Wieder geht es durch Eukalyptus-, Eichen- und Kiefernwälder. Maggiduft liegt in der Luft.



Die Wolkendecke ist dünn, ab Mittag kommt die Sonne durch. Mit den Pilgermassen der letzten Tage ist es vorbei. Ruhe auf dem Weg, Ruhe in mir. Ich geniesse die Einsamkeit. Ja, so war es schon oft gewesen auf meinem Weg. Jetzt erst wird mir bewusst, wie sehr ich in den letzten Tagen unter Dampf stand. Heute kann ich es erstmalig richtig geniessen, angekommen zu sein! Ja!
Von einem schönen Pflanzenensemble angezogen verlasse ich unbemerkt den Camino. Prompt hält das erste Auto, das die Strasse lang kommt. Der Fahrer deutet mir, dass dies nicht der Weg nach Fisterra sei. Auf dem anderen Fahrstreifen stehend gucke ich zunächst etwas ungläubig. Kann das sein? Bald hat sich hinter dem Wagen eine kleine Schlange gebildet. Keiner zeigt Ungeduld, keiner hupt. Klasse! Zweihundert Meter zurück finde ich die Stelle, an der ich hätte abbiegen müssen. Muchas gracias.

Unter einem weinumrankten Dach geht es in einen Ort hinein.



Dort ein besonders schöner Vertreter der Kornspeicher.



Auf dem Camino geht wirklich keiner verloren, nicht einmal der Rentner Kurt aus Schwaben. Sitzt in der Bar von Aguapesada, als ich dort einbiege. Kurt hat beschleunigt, weil er seine Enkeltochter noch einmal sehen will, bevor sie zum Praktikum nach N.Y. abhebt. Und neulich meinte er noch, er wird sich jetzt so richtig Zeit lassen. In Konstanz aufgebrochen hat er auch schon über 2000 km auf dem Tacho. Kurt besitzt eine Telefonkarte, bekam es bisher aber nicht hin, sie ihrem Zweck zuzuführen. Ich helfe ihm und verabschiede mich.
Zwei Orte später hole ich in dem schnuckligen Ort Ponte Monceira Bianca ein. Eigentlich ein Wunder, denn die Frau ist wirklich sehr schnell. Wir kommen ins Gespräch und gehen zusammen weiter. Bianca, Mitte 20, ursprünglich aus Sachsen-Anhalt, studiert Philosophie und VWL in Bayreuth. In ihrem "ersten Leben" war sie gelernte Hotelfachfrau. Weiss einige Horrorgeschichten aus dem Leben einer (Ober-)Kellnerin zu erzählen. Allein, der Job machte ihr Spass, man kommt rum, nur - viel Arbeit und wenig Kohle. Daher drückt sie jetzt wieder die "Schulbank". In Negreira trinken wir ein Radler zusammen und sagen Tschüss. Sie geht ins Albergue, ich ins Hostal :-))
Um kurz nach Fünf verlasse ich mein Zimmer. Bin sehr müde, doch die Sonne scheint, weshalb ich lieber an der frischen Luft sein möchte, als im muffigen Zimmer. Lasse mich an dem von einem Kreisel umgebenen Brunnen nieder. Die Sonne scheint mir warm ins Gesicht. Schön. Alle ca. 15 Minuten fährt eine Bimmelbahn vorbei, Kids rufen mir aus den Wagen zu. Weniger schön. Gehe ins Cybercafe. Stunden später schmeisst man mich, den letzten Gast, um kurz nach 10 aus dem Lokal. - Abendessen im Restaurant nebenan. Kaum habe ich das Lokal betreten, fängt mich auch schon der an der Theke plazierte Rollo ab. Schwarzes, weit aufgeknüpftes Hemd, Glatze, 65, untersetzt, (früher mal Boxer, Mittelgewicht), klein und gesprächig. Rollo spricht deutsch und freut sich dies anwenden zu können. Verständlich. Hat in den 60igern in Essen, Bochum und Münster studiert. Den Ruhrslang hat er immer drauf. Lustig. Kaut mir ein Ohr ab, lässt seine Kumpels an der Theke stehen. Redet nur in Superlativen, vom Ort, vom Essen in dem Restaurant, von Galicien, v.a. aber immer wieder vom Ort Negreira. Die Einwohner Negreiras seien super und wüssten zu feiern. Jedes Jahr am 31.10. fände so eine Art Orchestermarathon statt. Letztes Jahr habe ein Orchester 24 Stunden lang ohne Pause gespielt und damit Eingang ins Guiness Buch der Rekorde gefunden. Die 7000-Seelen Gemeinde habe seinerzeit 20000 Gäste in Griff bekommen müssen. Brot, Wein, Bier, alles sei aus gewesen. Heuer wird das Ganze mit zwei Orchestern wiederholt. Und so weiter.
Rolle, wäre alles kein Problem, wenn ich nicht erstens sehr hungrig wäre und zweitens einen Brummschädel (schon den ganzen Tag über) hätte. Keinen Bock auf Schnaps und eine lange Nacht ... Bestelle Salat, Fisch und Bier. Als der Wirt auftischt gehen mir die Augen über. Alles für mich? Das ist doch ein Mahl für Vier! Die wollen mich über den Tisch ziehen, denke ich mir. Bueno, was soll's. Ich esse und geniesse: der Salat ist lecker, der Fisch ist frisch und schmeckt hervorragend. Als ich später die Rechnung serviert bekomme, bin ich ein zweites Mal überrascht. Keine 20 Euro! Nach dem Essen mache ich mich ziemlich schnell aus dem Staub. Alles in allem ein schöner Abend.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hi Peter,

You have made it all the way? Congratulations! Fantastic achievement, I'm so envious. Got your postcard - thanks. Looking forward to hearing more. John

migus hat gesagt…

Hallo Peter Pilgert,

du hast es geschafft, herzlichen Glückwunsch !!!

Ich freue mich sehr für dich, ich kann die leere verstehen, die gerade spürst, aber glaube mir , das ist völlig normal.
Es taucht immer beim ankommen die frage auf "und was kommt jetzt ?".
jetzt musst du erst mal wieder eingegliedert werden in die "gesellschaft" - "gesellschaftsfähig" gemacht werden ??? - War nur spass : Hoffentlich nicht !!! ich hoffe du hast alles ,was du erfahren und erspürt hast in dich aufgesaugt und hast sehr lange etwas davon. es hat sich bestimmt etwas geändert . sieh es ,nimm es , behalt es. das ist dein geschenk.

Gruß aus Stetten o.L.
Micha

P.S.: War selber ein paar tage auf dem jakobsweg , mache nächstes jahr ein stück weiter...

Anonym hat gesagt…

Hallo Peter
Habe heute von Dir ein Karte aus Santiago erhalten, habe mich riesig gefreut! Wünsche Dir von herzen alles gute auf Deiner weiteren Reise!!
lieber Gruss, roli
"Bar el santiago de Compostela"
www.jakobushof.ch